Ihr Lieben, neulich hatte ich eine Referendarin im Coaching, die sich die Frage gestellt hat, ob sie das Referendariat durchziehen soll oder ob ihre Zukunft doch woanders liegt.
Innerhalb von 45 Minuten hat sie dreimal erwähnt, dass es sie wirklich stresst, Schülern privat, nach Feierabend, zu begegnen. Und das zog sich auch über bestimmte Altersgruppen an Schülern fort, was den Unterricht angeht. Das hat mich dazu veranlasst, genauer hinzusehen.
Dabei kam heraus, dass es dieser Referendarin wirklich wichtig ist, nach Feierabend auch wirklich Feierabend zu haben, was im Lehrberuf ohnehin schon sehr schwierig ist, es sei denn, ihr schafft euch so eine Struktur und haltet sie konsequent ein. Damit war das Thema allerdings nicht erledigt. Neben der benötigen stringenten Feierabendstruktur wurde im weiteren Gespräch sehr deutlich, dass es für sie eine große Herausforderung darstellt, jeden Tag mit großen Klassen zu arbeiten. Das übersteigt einfach ihre (Abgrenzungs)Kapazitäten. Es wurde hier sehr deutlich, dass es der Referendarin einfacher fällt, sich wirklich vollumfänglich um eine kleine Gruppe von Personen zu kümmern oder sogar im 1:1 Kontakt entspannt zu arbeiten.
Der Begriff Crowding ist ja mittlerweile in aller Munde. Es gibt kaum Rückzugsmöglichkeiten im Umfeld Schule und ein betriebliches Gesundheitsmanagement, wie man es ggf. aus der Wirtschaft kennt, gibt es im Umfeld Schule auch nicht. Ihr werdet euch also mit den Bedingungen anfreunden müssen, die ihr dort findet und damit irgendwie umgehen müssen, damit es euch auch gut geht, wenn ihr 40 Dienstjahre gesund und freudig durchhalten wollt.
Da das Thema wirklich sehr umfangreich und individuell ist, hier nur ein kleiner Rahmen, mit dem ihr antesten könnt, ob der Lehrerjob genau der richtige für euch ist:
- Ihr liebt Kinder. Ich als Mutter kann es kaum ertragen, wenn ich mir vorstelle, dass Menschen Lehrer werden, obwohl sie nicht zu 100 % gerne und mit Liebe mit Kindern arbeiten. Deshalb ist das für mich das Hauptkriterium. Andersherum werdet ihr wirklich große Probleme haben und als Lehrer vermutlich scheitern und ergo auch keine 40 Jahre lang ein schönes Lehrerleben haben, da Schüler sehr schnell spüren, ob ihr ihnen wohlgesonnen seid oder nicht. Wichtig ist auch, dass ihr euch fragt, mit welcher Altersstufe ihr gerne zusammenarbeiten wollt.
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2. Aus meiner Sicht solltet ihr wirklich top selbstorganisiert sein. Die Herausforderungen im Lehreralltag sind wirklich vielfältig. Wenn Ihr anfangt, ganz akribisch und perfekt eure Dinge zu planen und das auch noch von anderen zu verlangen, werdet ihr im Lehreralltag untergehen.
3. Wie gut ist eure Abgrenzungsstärke? Wenn ihr Schwierigkeiten habt, euch abzugrenzen sowohl im Lehrerzimmer als auch im Klassenzimmer, werdet ihr vor Stress vermutlich früher oder später umfallen. Hierzu gehört auch ein fundiertes Konflikt- und Stressmanagement, das ihr wirklich routiniert anwenden könnt, um auf vielfältige Herausforderungen reagieren zu können.
4. Prüft mal bitte für euch, ob ihr wirklich starre Systeme und Routinen braucht, die euch wirklich in jeder Form Regeln und Rechtssicherheit vorgeben, oder ob ihr eher einen Rahmen bevorzugt, der zwar geregelt ist, aber innerhalb dessen Freiheiten gibt, Ziele auf eure Art zu erledigen oder sogar Dinge voranzubringen. Neuerungen im System Schule dauern. Stichwort Corona. Das ist vorwiegend viel Politik. Vielleicht seid ihr eher die Hands on Typen, die die Dinge gerne pragmatisch vorantreiben und durchs Machen lernt. Ich kann gar nicht betonen, wie wichtig es ist, das Wertegerüst des Schulsystems, wo ihr euch befindet, zu verstehen, um zu überprüfen, ob das zu eurem eigenen Wertesystem und euren Zielen passt. Hier könnt ihr euch die Frage stellen, wie ihr in Zukunft überhaupt arbeiten möchtet? Und was ist euch wichtig? Jedes System hat seine Ordnung und seine damit verbundenen geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze, die ihr einhalten müsst. Im System Schule bedeutet das, dass ihr Beamter des Landes seid und in dem Sinne auch zu funktionieren habt. Dafür seid ihr eingestellt.
Klar, auf der anderen Seite ist das Gras immer grüner. Der Mensch tickt allerdings so, wenn ein zentrales Bedürfnis befriedigt ist, möchte er weitergehen. Das kann bedeuten, wenn ihr ein hohes Bedürfnis an Sicherheit habt, wird es natürlich durch das Beamtensystem oder etwas anderes befriedigt. Ihr wollt in der Wertestufe allerdings weiterkommen. Das ist menschlich ganz normal und auch abhängig vom Alter und Entwicklungsstand und inwiefern die anderen Bedürfnisse eben schon erfüllt sind. Deshalb werdet ihr versuchen im Laufe der Jahre andere Bedürfnisse zu erfüllen z.B. wie das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, einfach, weil andere zentrale Bedürfnisse schon befriedigt sind. Prüft also genau, ob die Systeme, in denen ihr euch befindet, auch hergeben, eure Bedürfnisse zu erfüllen oder/und ob ihr, wenn es so weit ist, die Veränderungskraft aufbringen könnt, euch anzupassen, eben zu verzichten oder stattdessen auch Konsequenzen zu ziehen, weil es für euer persönliches Glück erforderlich ist.
5. Mögt ihr Arbeit im Team oder arbeitet ihr lieber alleine? Natürlich sind die Schüler euer Team, aber ihr wisst, was ich meine. Teams, wie man es in der Wirtschaft kennt, dass man in unterschiedlichen Projekten gemeinsam arbeitet, gibt es in der Schule nicht oder nur bedingt in den jeweiligen Fachgruppen. Euer Hauptjob hier wird das Unterrichten sein. Natürlich könnt ihr auch eine A16 Stelle anstreben und Schulleiter werden. Dann fragt euch aber bitte vorher, ob ihr tatsächlich so gerne mit Schülern arbeitet, wie ihr denkt und prüft hier mal, weshalb ihr wirklich ins Schulsystem wollt.
Ich hatte neulich einen Schulleiter im Coaching, der Schulleiter werden wollte, weil er die Ohnmacht auf der anderen Position nicht mehr ausgehalten hat und sich von der Stelle versprochen hat, von dort „oben“ eben nicht mehr in der Ohnmacht zu verharren. Prüft auch hier bitte, ob die Aufgaben, die mit dem Job verbunden sind, euch befriedigen oder ob ihr eher vor etwas anderem davonrennt.
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6. So und zum Schluss prüft mal bitte, ob ihr gerne verwaltenden Tätigkeiten nachgeht. Denn ihr seid im Schulsystem in einer Behörde. Euer Job und auch der des Schulleiters ist es vor allem, zu verwalten. Innerhalb dieses gegebenen Rahmens müsst ihr euch mit den Mitteln, die euch zur Verfügung stehen, arrangieren.
Viele zweifeln jedoch an ihrem Beruf, weil sie im Dauerstress sind. Das bedeutet nicht, dass das automatisch der falsche Beruf ist. So oder so können wir das gerne einmal gemeinsam reflektieren.