Konfliktarena Lehrerzimmer?

von | 04.10.2023

Hallo ihr Lieben, die hohe Kranken- und Frühpensionierungsquote wundert mich aus unterschiedlichen Gründen nicht, denn die Kampfarena Lehrerzimmer steht der Lehrergesundheit im Wege. Ich habe schon viele Kollegen umkippen sehen. Das ist tragisch, hat mich allerdings auch dazu bewegt, verstehen zu wollen, wie das überhaupt sein kann. Denn in dem Moment, wo die Krankenquote im Kollegium floriert (und das geht aufgrund der mangelnden Ressourcen im Umfeld Schule relativ zügig), funktioniert das System nicht mehr und zahlreiche Konflikte nehmen ihren Lauf. Dafür muss man noch nicht mal ein Klassenzimmer betreten haben, wo der eigentliche Job erst losgeht. Besonders wenn Schulleitungen oder auch Kollegen nicht entwickelt sind, gleichen Schule oder Lehrerzimmer eher einer Kampfarena, als einem Blumenbeet, auf dem jeder wachsen kann.

Nach meinem Dafürhalten kommen viele Lehrer zu spät an den Punkt, sich selbst und das System zu reflektieren, weil sie täglich damit beschäftigt sind, ihren Kopf über Wasser zu halten oder Kämpfe auszutragen. Weil sie oft keine alternativen Berufserfahrungen und Austausch mit Menschen fernab des Systems mitbringen, halten sie die Umstände für angemessen und allgemeingültig. Woanders ist es grundsätzlich nicht besser, sondern eher schlechter, erzählt man sich im Lehrerzimmer und rationalisiert sich die Gründe für die gegenwärtigen Umständen einfach weg, anstatt offen zu bleiben, manchmal auch loszulassen und seine Gesundheit und Werte zu erhalten sowie alternative Wege zu bauen, die auch oder noch mehr Sinn machen.

Und trotzdem passiert auf dem dafür zuständigen Parkett zu wenig. Punkt um: Menschliche Grundbedürfnisse vieler Lehrer, kommen langfristig einfach zu kurz. Welcher Mensch kann oder möchte non-stop in so einer Funktion/Rolle unter diesen Bedingungen funktionieren? Der Raum für Selbstwirksamkeit, dem entgegenzuwirken, ist gemessen an den arbeitspsychologischen Gegebenheiten, nachgewiesen, nur minimal. Auch das ist ein Problem. Die Gestaltungs-, Handlungs- und Entscheidungsräume sind einfach zu gering, um dauerhaft Arbeitszufriedenheit zu erlangen. Ich bin deshalb auch der Meinung, dass sich der hausgemachte Lehrermangel so nicht beheben lässt. Dazu müsste der Lehrberuf und sein Umfeld attraktiver werden, auch im Hinblick auf Weiterentwicklung und Karrierechancen. Mehr Geld als Anreiz wird das Problem nicht nachhaltig lösen. Insofern finde ich hier auch die Sinnfrage eines föderalen Bildungssystems, wie wir es hierzulande bis heute kennen, durchaus berechtigt und gehört für mich im internationalen Vergleich auf den Prüfstand.

Meine Empfehlung, wie du aus dem Teufelskreis herauskommst:

  1. Erst mal mehr in die Distanz gehen und eine Beobachterrolle einnehmen
  1. Verstehen, was mit dir und um dich herum passiert
  1. Entscheiden, wie du damit in Zukunft umgehen möchtest.
  1. Danach handeln.

Darüber hinaus kannst du dir auch folgende Fragen zur Mitarbeiterzufriedenheit stellen:

  1. Weiß ich, was bei der Arbeit von mir erwartet wird? Sind Erwartungen, Informationen und Prozesse transparent?
  2. Habe ich alle Ressourcen zur Verfügung, also auch Materialien und Mittel, um meine Arbeit richtig zu machen?
  3. Habe ich bei der Arbeit täglich den Raum, genau das zu tun, was ich am besten kann?
  4. Habe ich in den letzten Tagen für meine Arbeit Anerkennung und Lob bekommen?
  5. Interessiert sich bei der Arbeit ein Vorgesetzter oder Kollegen für mich als Mensch oder geht es nur um Leistung?
  6. Gibt es bei der Arbeit jemanden, der mich bei der Entwicklung unterstützt und fördert oder soll ich nur meinen Dienst leisten?
  7. Habe ich den Eindruck, dass meine Einstellungen und Meinungen zählen und gehört und gesehen werden oder werde ich am laufenden Band übergangen?
  8. Geben mir die Schulphilosophie bei der Arbeit das Gefühl, das meine Arbeit wichtig und bedeutend ist?
  9. Sind auch meine Kollegen bestrebt Arbeit von hoher Qualität zu liefern oder gibt es starke Gefälle zwischen den Einstellungen und Ergebnissen?
  10. Habe ich innerhalb des Kollegiums einen guten Freund gewonnen?
  11. Hat in den letzten sechs Monaten jemand mit mir über meine Fortschritte gesprochen und mir ein detailliertes Mitarbeitergespräch geführt?
  12. Hatte ich während des letzten Jahres die Gelegenheit mich weiterzuentwickeln und etwas Neues zu lernen?

(Quelle: Buckingham / Coffmann 2001)

It´s up to you. Prüf` gerne mal die relevanten Indikatoren für Mitarbeiterzufriedenheit. Du kannst auch gerne eine Skala von 1-10 hinzufügen, indem du den Istzustand einmal festhältst und dich fragst, auf welchem Wert du, was dein Arbeitsumfeld angeht, stehst. Wo wärst du vielleicht gerne auch auf der Skala, was fehlt dir bzw. welches Bedürfnis hinkt warum auch hinterher. Was brauchst du, damit du dahinkommst? Und dann prüf mal für dich mittels des obigen Prozesses, ob das realistisch ist, dort hinzukommen oder ob ggf. ein Wechsel Sinn macht.

Wie immer gilt: Wenn ihr Themen habt, die euch unter den Nägeln brennen, worüber ich schreiben soll, Impulse, Feedback etc. schreibt mir gerne an: bianka@lehrercoaching.de. Ich freue mich auf eure Gedanken und euer Feedback!

Take Care und liebe Grüße,
Bianka

Lehrercoaching® I Lehrerblog I Bianka Vetten

Bianka Vetten

Dein Lehrercoach & Partner

Ehemalige Studienrätin und Ausbilderin, Business- und Karrierecoach, Trainerin, Reiss Motivation Profile Masterin, Personal-, Organisations- und Teamentwicklerin

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