Kündigung als Lehrer: gehen oder bleiben?

von | 29.01.2021

Innere Kündigung als Lehrer: gehen oder bleiben?

Hallo ihr Lieben, habt ihr schon mal daran gedacht zu kündigen? Oder denkt ihr euch, hier gefällt es mir zwar nicht, aber den Beamtenstatus aufgeben will ich auch nicht? „Also verabschiede ich mich innerlich und harre bis zur Pension aus, weil sicher ist sicher?“

Dazu habe ich mir einmal folgende Fragen gestellt:

  1. Was ist eine innere Kündigung eigentlich?
  2. Wie kommt es dazu?
  3. Welche Folgen ergeben sich?
  4. Wie könnt ihr selbst erkennen, ob ihr bereits innerlich gekündigt habt?
  5. Welche Konsequenzen ergeben sich?
  6. Was können Schulleitungen und andere Führungskräfte dagegen tun?
  7. Was könnt ihr tun? Gehen oder bleiben?

Zu 1) Was ist eine innere Kündigung?

(…) Die innere Kündigung ist vom Lehrer eine nicht explizit geäußerte, mentale Verweigerung eines engagierten Leistungsverhaltens (…) Er interessiert sich im Grunde nicht mehr für seinen Job arbeitet nur noch das Nötigste. Er will zwar seine Stellung als Beamter behalten und vermeidet deshalb die Entlassung aus dem Dienst als offizielle und rechtlich wirksame Beendigung des Beamtenverhältnisses, ist aber bestrebt, sich nicht über ein minimal erforderliches Maß hinaus zu engagieren und betreibt demnach Dienst nach Vorschrift. (in Anlehnung an Gabler Lexikon)

Die innere Kündigung ist demnach eine Art Protest. Die Unzufriedenheit im Zeitablauf zeigt sich durch ein hohes Maß an Demotivation und Frustration. Das ist für alle Beteiligten ein schwieriges Unterfangen, denn bei einer ordentlichen Kündigung besteht eben Aussicht auf eine Berufsalternative oder ein Jobangebot, es herrscht also Klarheit für alle, dass der Kollege X eben nicht mehr zur Verfügung steht. Im Gegensatz dazu entsteht die innere Kündigung vielmehr durch einen schleichenden Prozess, der besonders in den Anfängen schwer zu erkennen und einzudämmen ist und weitere Konflikte nach sich zieht.

Zu 2) Wie kommt es dazu?

Tauschtheoretisch erklärt, erwarten Menschen von ihrem Gegenüber eine gewisse Gegenleistung, wenn sie sich in ökonomische und soziale Beziehungen einbringen. Gegenstand der Beziehung ist also das gegenseitige Geben und Nehmen von materiellen und immateriellen Ressourcen. Getauscht werden hierbei Ressourcen, an denen die jeweiligen Tauschpartner Interesse haben. Erfahren Lehrer nun etwa mangelnde Wertschätzung, fehlende Einbindung in Entscheidungen und Vorgehen und erleben sie Zurückweisungen im Führungsverhalten oder ungelöste Konflikte mit Schulleitung, Kollegen und Schülern oder mangelnde Unterstützung dahingehend, dann tauschen sie in der Konsequenz negativ, indem sie ihr Engagement in der Arbeit schrittweise zurückfahren, bis sie am Ende dieses Rückzugsprozesses den Arbeitseinsatz auf ein Minimum reduzieren. (in Anlehnung an Gabler Wirtschaftslexikon)

An der Stelle lohnt sich auch einmal der Blick in das Beamtengesetz und/ oder in die allgemeine Dienstordnung. Was genau bedeutet der Beamtenstatus, auf den alle schwören, eigentlich? Was genau sind denn die Rechte und Pflichten eines Beamten? Und um welche Ressourcen geht es eigentlich, die hier beidseitig getauscht werden? Welche Aufgaben sind damit im Detail verbunden? Lese in meinem nächsten Blog Artikel: „Darf es ein bisschen mehr sein?“ – Was bedeutet der Beamtenstatus für dich? Blicke mal auf beide Seiten der Medaille und wäge ab. Was hat es mit den jeweiligen Ressourcen und Aufgaben auf sich und weshalb erlangt das Thema Führung eben in dem System Schule ihre ganz eigene Legitimation?

Zu 3) Welche Folgen ergeben sich?

Aufgrund dessen, dass der Lehrer nicht mehr motiviert ist und dadurch seine Arbeit eben auf ein Minimum reduziert, sinkt auch seine Produktivität. Das hat ebenso Folgen für das gesamte System, da sich die Arbeitslast im Team anders verschiebt, was sich wieder wiederum auf die Stimmung auswirken kann. Eine innere Kündigung zu verhindern, liegt also im Interesse aller Beteiligten, besonders im Interesse der Schulleitung. Hier ist also die Führungskompetenz der Schulleitung und der jeweiligen Abteilungsleitungen gefragt, Demotivationen aufzuspüren und denen gezielt und frühzeitig entgegenzuwirken. Für einen persönlich mündet eine innere Kündigung häufig in beruflicher Sinnlosigkeit, was wiederum zu Unzufriedenheit führt, beruflich wie auch privat, da sich beide Bereiche gegenseitig befruchten. Neben diesem emotionalen Aspekt kann eine innere Kündigung auch zu mentalen oder körperlichen Beschwerden wie Konzentrationsschwierigkeiten oder Blockaden führen, wie auch zu körperlichen Missempfindungen und Verspannungen, Kopfschmerzen oder gar in Krankheiten wie bspw. einem Burnout münden. Deshalb ist es auch für euch selbst wichtig, zu verstehen, wann ihr ggf. erkennen könnt, dass ihr bereits selbst innerlich gekündigt habt, damit eure Lebensqualität nicht nachhaltig eingeschränkt wird.

Zu 4) Wie könnt ihr selbst erkennen, ob ihr bereits innerlich gekündigt habt?

  • Anstatt motiviert und positiv gestimmt zur Tat zu schreiten, schleppt ihr euch nur noch zur Arbeit
  • die Qualität eurer Arbeit lässt zu wünschen über (Fehlerteufel schleichen sich vermehrt ein)
  • Mangelndes Interesse an Arbeit, Kollegen und Schülern
  • Soziale Desintegration (rein in die Schule und schnell wieder weg)
  • Jammern und klagen („alles ist doof“)
  • Mangelnde Weiterbildungsbereitschaft („für die tue ich nichts mehr“)
  • Passivität statt Proaktivität („ich mach hier nichts mehr über meinem Soll“)
  • ihr seid gelangweilt (gähnende Langeweile – Tag ein, Tag aus)
  • Unterlaufen der Anordnungen von Vorgesetzten („ich mach genau das Gegenteil von dem, was die Schulleitung will, die Schulleitung kann mich mal…“)
  • ihr fühlt euch überlastet („Puh, die ganzen Anforderungen hier stressen mich, motivieren mich nicht“)
  • Euer Chef, eure Abteilungsleitungen oder Kollegen klauen eure Ideen und geben diese als ihre eigenen aus („toll, bei der Beförderung werde ich übergangen und dann auch noch mit meinen eigenen Ideen“)
  • Ihr seht in eurer Arbeit keinen Sinn mehr („Was mache ich hier eigentlich?“)
  • Der mangelnde Sinn kann sich auch in der Wahrnehmung der Führung, der Strukturen der Organisation an sich, der mangelnden Entwicklung eurer Potentiale oder im Teamverständnis an sich zeigen („Wo bin ich hier eigentlich? Ich bin hier völlig falsch“)
  • Ihr leidet unter dem Mondayblues…. Vielleicht entwickelt ihr in dem Zusammenhang auch körperliche Symptome wie Magenschmerzen, Kopfschmerzen oder Müdigkeit pünktlich zum Montagmorgen oder schon am Sonntag? (Oh mein Gott, Freitag schon an Montag denken, was unter Umständen das ganze Wochenende versaut)
  • Das führt dazu, dass ihr am Montag jedenfalls nicht aufstehen möchtet (Stichwort: Wecker hundertmal weiter stellen)
  • Ihr seid nicht mehr motiviert eine Karriere in der Organisation anzustreben oder euch anderweitig einzubringen? („hier tue ich nichts mehr, ich habe mit allem abgeschlossen“)
  • Ihr kommuniziert nur noch das Nötigste mit den Vorgesetzten, Kollegen und Schülern? (bitte nur das Sachliche und das Mindestmaß, um arbeitsfähig zu sein)
  • Humor? Habt ihr an der Garderobe abgegeben („ich habe hier nichts zu lachen“)
  • Oder noch schlimmer, ihr möchtet eure Schulleitung, Kollegen und/oder Schüler am liebsten nur noch von hinten sehen? („geht mir aus der Sonne“)
  • Ihr identifiziert euch nicht mehr den Zielen, Werten und Normen der Schule oder dem herrschenden „Spirit“ dort? („Wo leben die eigentlich und was mache ich hier?“)
  • Vielleicht bekommt ihr ein schlechtes Gefühl, weil ihr durch die tägliche Arbeit in der Organisation/Schule ständig gegen eure eigenen Werte agieren müsst?
    Beispiel: Euch ist wichtig, dass ihr euren Unterricht autonom durchführen könnt, der Schulleiter kontrolliert euch allerdings wöchentlich, da der Schulleitung Kontrolle der Kollegen wichtig ist, um sie auf Spur zu halten? Oder euch ist wichtig, dass eure Bedürfnisse, Belastungsgrenzen, Talente gesehen werden – das Gegenteil aber ist Fall der. Z.B. unterrichtet ihr etwas, was nicht euren Fähigkeiten und Interessen entspricht. Stattdessen habt ihr wie in einem Hamsterrad zu funktionieren und müsst euch selbst verleugnen? („Also das geht mir ständig gegen den Strich, ständig muss ich gegen mich und mein Mindset handeln und kann mich nicht selbst vertreten, weil das System das nicht wünscht“)
  • Ihr habt das Gefühl eine Rolle einzunehmen, die eurem inneren Kern widerspricht und ihr daraufhin eher das Gefühl habt, auf einer Schauspielbühne zu agieren? („Ich bin doch hier nicht beim Film, wie alt sind wir denn, dass ich so tun muss, als ob?“)

Zu 5) Welche Gründe führen dazu?

  • Dauerhafte Überlastung: Aufgaben werden beispielsweise unzureichend verteilt oder nicht transparent und nachvollziehbar aufgeteilt. Das führt zu Unstimmigkeiten und Unverständnis im Team und Konkurrenz. Es kreiert Konflikte oder lässt Konflikte gedeihen.
  • Langeweile: eure Fähigkeiten und Potentiale werden nicht genutzt, stattdessen werdet ihr klein gehalten. Eure Fähigkeiten werden nicht gefördert und entwickelt.
  • Mangelnde Führungskompetenzen: Das kann sich zum Beispiel in der mangelnden Wertschätzung durch Vorgesetzte, Kollegen & Co zeigen oder in intransparenten Entscheidungen wie auch, dass Mitarbeiter erst gar nicht in Entscheidungen mit einbezogen werden.
  • Keinen Ausgleich für Mehrarbeit: Überstunden gerne gesehen, Ausgleich eher nicht.
  • Fehlende Aufstiegsmöglichkeiten und Zukunftsperspektiven: stattdessen vegetiert ihr vor euch hin. Ein Ende ist allerdings nicht in Sicht.
  • Mangelnde Veränderungskompetenz des Systems und/oder der Stakeholder: Der Klassiker: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Kreative Köpfe und Veränderungswillen sind Fehlanzeige.
  • Weiterbildung wird nicht gefördert, weil kein Geld oder Interesse besteht.
  • Widerspruch zwischen Arbeitssinn und Inhalt, den Werten der Organisation und dem eigenen Wertekanon. Sprich, es folgen tagtägliche „Werteverletzungen“ und ein daraus resultierender Wertekonflikt. (siehe Beispiel oben)
  • Konflikte im Team und ein schlechtes Arbeitsklima, ohne Aussicht auf Besserung. Mangelnde Teamarbeit, da Teamarbeit unzureichend definiert ist.
  • Mangelndes Organigramm und mangelnde Aufgabentransparenz, was zu ständigen Verschiebungen von Verantwortlichkeiten führt und mangelnder Verantwortungsübernahme.
  • Mangelndes Feedbacksystem, fehlende Mitarbeitergespräche.
  • Ungerechte Behandlung bis hin zur Diskriminierung, beispielsweise aufgrund der Nationalität, Religion, Geschlechts oder weil man von Voll- auf Teilzeit stuft z.B. bei Müttern oder Kollegen mit einer Behinderung.
  • Mangelnde Interesse der Führung an sachlichen Themen oder Konfliktklärungen, die dadurch sogar noch verstärkt werden
  • Ständige oder unfaire sowie verletzende Kritik an der Arbeit und/oder der eigenen Person, z.B. ständige Abwertungen und Vorführen von Personen vor anderen
  • Bossing oder Mobbing
  • oder das Gefühl von eigener Unfreiheit?

Wie ihr seht, die Gründe sind weitreichend. Aus organisationaler Sicht und das habe ich auch schon mal in meinem Artikel zu „Vorsicht Burnoutfalle“ kommuniziert: Wenn ihr als Referendar oder neuer Kollege an eine neue Schule kommt, achtet am besten darauf, ob ihr Kollegen identifiziert, die Dienst nach Vorschrift machen. Und wie viele es sind. Hakt gerne mal nach. Das ist auch etwas, was ihr im Vorfeld im Vorstellungsgespräch oder beim Einstellungsgespräch fragen könntet. Wie ist die Kultur hier? Was sind die nächsten Projekte? Wie wird Teamarbeit hier verstanden und gelebt? Was ist der Schulleitung in der Führung und Entwicklung von Mitarbeitern wichtig? Denkt immer dran: nur weil Führung draufsteht, heißt nicht immer zwangsläufig, dass auch Führung drinsteckt. Wie wird Mehrarbeit behandelt und wie sieht ein möglicher Ausgleich aus? Also hakt nach und schafft euch ein Bild, so gut wie möglich. Euer Gegenüber tut es ja schließlich auch. Merkt euch: stoßt ihr auf viele Menschen, die innerlich gekündigt haben, dann stinkt der Fisch vom Kopf. Dann sucht am besten direkt das Weite. Dort, wo ihr arbeitet, herrscht dann kein fruchtbarer Boden, um sich entfalten zu können und glücklich und zufrieden auf seine Pension zu sparen.

Zu 6) Was können Schulleitungen dagegen tun?

An alle Schulleitungen: Gestalten Sie ihre Organisation klar und transparent. Erstellen Sie ein Führungsleitbild, nachdem sie auch handeln. Mit einer klaren Wertestruktur und Kultur, wonach Sie ihr Handeln auch ausrichten. Bleiben Sie am Ball. Kümmern Sie sich durch unterschiedliche Personal- und Organisationsentwicklungsinstrumente und -strategien gut um Ihr Lehrpersonal. Hören Sie zu. Lassen Sie ihre Kollegen zu Ihren internen Kunden werden, bauen sie Vertrauen auf und stärken Sie die Beziehung, und zwar jederzeit.

Zu 7) Zu guter Letzt: stellt euch die Frage: gehen oder bleiben?

Bitte macht hier eine ausgiebige Inventur. Nutzt auch die Methode aus meinem Blogartikel „Corona als Chance“ um zu reflektieren, was genau zu einer inneren Kündigung bei euch geführt hat. Macht danach einen Realitätscheck. Könnt ihr erwarten, dass sich die Dinge, Menschen, Umstände etc. ändern? Wenn nein, was könnt ihr selbst ändern? Und reicht das? Oder macht es Sinn loszulassen und sich auf zu neuen Ufern zu machen, weil ihr eine Änderung bräuchtet, die für eure Zufriedenheit maßgebend ist, es aber nicht absehbar ist, dass sich dieser Zustand einstellen wird?

Stellt euch hier auch die Fragen, ob es noch etwas gibt, was euch abhalten könnte zu gehen? Und was ihr im Falle einer Kündigung gewinnt? Habt ihr alle Positionen im System Schule oder an anderen Stellen mit einbezogen, auf die ihr wechseln könntet? Ist euch auch klar, was ihr euch von einem Jobwechsel versprecht, wenn ihr ganz geht? Passt das zu euren aktuellen oder künftigen Leben/ Lebensplan? Kommt ihr damit klar, wie andere ggf. eure Entscheidung bewerten?

Seid ehrlich zu euch und zieht Konsequenzen. Am besten ist es, die Entscheidung „Gehen oder bleiben?“ zu treffen, wenn ihr in eurer vollen Kraft seid. Stellt euch also auch die Frage: Wie geht es euch eigentlich gerade? Seid ihr überhaupt in der Verfassung euch damit zu beschäftigen? Wenn nein, was hält euch ab oder wohin müsstet ihr kommen? Wenn ja, dann vegetiert nicht vor euch rum, sondern handelt und schafft euch z.B. mit dem Walt Disney Board aus meinem Artikel „Mehr handeln statt hadern“ Berufsalternativen. Kommt in den Flow und zwar so schnell, wie möglich.

Eine Coachingnehmerin von mir beschäftigt sich gerade zunehmend mit dem Thema: Als beamtete Lehrerin kündigen oder besser doch nicht? So ganz von dem Status lösen will sie sich noch nicht, gefallen tut es ihr im Schulsystem aus vielfältigen Gründen aber auch nicht. Und eigentlich hat sie auch schon eine Vorstellung von dem, was noch viel besser zu ihr passt und warum. Also was hält sie auf und was tut sie stattdessen?

Wie immer gilt: Wenn ihr Themen habt, die euch unter den Nägeln brennen, worüber ich schreiben soll, Impulse, Feedback etc. schreibt mir gerne an: bianka@lehrercoaching.de. Ich freue mich auf eure Gedanken und euer Feedback!

Take Care und liebe Grüße,
Bianka

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Bianka Vetten

Dein Lehrercoach & Partner

Ehemalige Studienrätin und Ausbilderin, Business- und Karrierecoach, Trainerin, Reiss Motivation Profile Masterin, Personal-, Organisations- und Teamentwicklerin

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