Führungsweisheit: Bevor Du agierst, lese erst den Menschen.
Hallo ihr Lieben,
klingt einfach, oder? Vor allem im Unterricht mit 30 Schülern pro Klasse und mal fünf am Tag und mal fünf in der Woche? Ich besitze wirklich hohe empathischen Fähigkeiten wie auch die technischen Mittel und dennoch finde ich es herausfordernd bei dem Zeitpensum und Druck, Lernziele laut Lehrplan erreichen zu müssen und gleichzeitig auf alle Schüler individuell eingehen zu können. Und trotzdem ist es sauwichtig, den Menschen, der da vor dir sitzt, zu lesen und zu verstehen, damit Du guten Unterricht mit ihm durchführen kannst und die Beziehung fruchtbar ist. Ich bin ja ein Freund von NLP (neurolinguistisches Programmieren), dazu werde ich euch in meinem neuen Buch auch Tools vorstellen, wie euch das gelingt, eure Schüler besser zu lesen. Jetzt werdet ihr vermutlich sagen, mache ich doch jeden Tag, umso besser. Dennoch, hierzu eine kleine Anekdote, wo das Ganze schon anfängt und durchaus Konfliktpotential bereithält, nicht nur zwischen Kollegen und Schülern, sondern auch zwischen Kollegen:
Ich hatte zwei Kollegen in meinem Klassenteam. Beide haben kaufmännisches Rechnen unterrichtet. Die eine Kollegin hatte gerade den Dreisatz durchgenommen und war wegen Krankheit von der anderen Kollegin vertreten worden, die den Dreisatz der Stunde zuvor wohl bemerkt in ihrem Stil wiederholt hat. Wozu führte das?
Als ich in der nächsten Woche wieder in der Klasse war und fragte, wie es den Schülern geht, entgegneten die Schüler, sie hätten Angst wegen ihrer Prüfung. Ich fragte natürlich warum? Nun, die eine Kollegin macht den Dreisatz auf dem Bruchstrich und sagt, das sei so richtig. Die andere Kollegin allerdings sagte bei der Wiederholung, dass das so falsch wäre und der Dreisatz in eine Tabelle gehörte. Nun, fragten mich die Schüler, was machen wir denn jetzt? Wer hat denn nun recht? Nun, sagte ich: „Beide Welten haben recht, der Dreisatz ist der Dreisatz, egal wie Du es schreibst. Mit welcher Strategie kommst Du persönlich besser klar?“
Davon abgesehen, kommen die Schüler von den Zubringerschulen mit unterschiedlichen Strategien an die Berufsschulen. Man könnte sich auch fragen: dient es dem Lernziel tatsächlich, dem Schüler etwas auszutreiben, was er jahrelang für sich verinnerlicht hat?
Um die Lernmotivation der Schüler optimal zu nutzen, ist es wirklich wichtig, zu erkennen, in welcher Welt dein Gegenüber unterwegs ist. Und auch in welcher Welt Du selbst unterwegs bist. Aus neuronaler und lerntheoretischer Sicht kann ich nur empfehlen, jeden in seiner Welt zu lassen und exakt dort mit ihm zu arbeiten und seine eigene Welt davon zu trennen. Wir wollen schließlich auch in unserer Welt verstanden werden. Verstanden heißt an der Stelle nicht immer zuzustimmen, vielmehr zu verstehen, wie dein Gegenüber gestrickt ist und wie Du hier gut mit ihm arbeiten kannst, also den gemeinsamen Nenner zu finden.
Ich kann gar nicht sagen, wie viele Konflikte ich im Lehreralltag beobachtet habe oder mir teilweise auch selbst begegnet sind, nur weil die Welten, in denen gestritten wurden, so unterschiedlich waren. Das raubt bei den ganzen alltäglichen Anforderungen zusätzlich Energie. Abgesehen davon, ist das ein Zeichen nach Außen, dass an der Stelle Teamwork nicht gut funktioniert, was wieder Konsequenzen nach sich zieht. Wie sagt man so schön: Wenn es ums Recht geht, wird es teuer! Achtung: Energieraubfalle.
Kennt ihr solche Situationen? Wie sind eure Erfahrungen?